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Noch nicht verarbeitete Zitate

»Dass Graffiti seit einigen Jahrzehnten zum ästhetischen Mainstream der Postmoderne gehört, haben zahlreiche Sprayer bislang nicht realisiert.«1)
»Fraglich und fast sektenhaft ist ebenfalls die grundsätzliche Heiligsprechung aller Oldschooler. Wenn sich jemand erdreistet über ein Piece rüberzugehen, was jemand beispielsweise vor 10 Jahren gemalt hat, dann geht das große Weinen los. Mit anderen Worten: Ich scheiße auf das Eigentum anderer Leute, doch sobald jemand „mein“ Eigentum (Bild) nicht achtet, verhalte ich mich genau wie die Leute, die ich vorher für Ihre Gartenzwergmentalität verachtet habe.«2)
»Zwar herrscht ein diffuses Bewusstsein der Graffitiszene „an sich“, was darin zum Ausdruck kommt, dass man sich auf einen gemeinsamen Feind, grobe Spielregeln, anerkannte Techniken, prestigeträchtige Maluntergründe und Aktionsorte einigt sowie – bisweilen aus purem Opportunismus – freundschaftliche Kontakte zu anderen Graffitisten pflegt. Eine „Szene für sich“, die einen solidarischen Umgang untereinander pflegt, lässt sich, abgesehen von Ausnahmen vor allem in kleineren Städten, nicht ausmachen, wenngleich dies aus unmittelbaren, egoistischen Gründen naheliegend wäre.«3)
»[…] die „alten Hasen“ sind in der Regel mächtig stolz darauf, dass sie „die Kultur weiterreichen an die nächste Generation“ und sich so verdient machen um das Fortbestehen von beispielsweise „Respekt“ als zentralem Moment innerhalb der Szene. Ansonsten bleibt es meist dabei, dass die Jüngeren gezeigt bekommen wie man die Pfeile richtig an die Buchstaben bastelt, dass Streetart minderwertig ist und der vielbeschworene „Respekt“ eben doch Ausnahmen kennt.«4)
»Graffiti [im Sinne von Style Writing] mit seiner Scheiß-Drauf-Mentalität und damit auch Scheiß-auf-andere-Mentalität ist nicht Rebellion, Punk oder heilvolle Möglichkeit der Partizipation oder Meinungsäußerung im öffentlichen Raum, sondern Mainstream und ein Spiegelbild unserer heutigen westlichen Konsum- und Egogesellschaft, wie Kuhnert es richtig festgestellt hat. Vielleicht hat es keine materialistischen Interessen und Ziele, wie es die Werbung hat, aber genauso wenig hat es altruistische, utilitaristisch-gemeinnützige oder demokratische Ziele bzw. könnte es solche verwirklichen.«5)
»[Wir stoßen hier auf das Problem], dass das Werk nicht primär auf einen ästhetischen, hier vielleicht kalligrafischen, Wert oder Gehalt rekurriert, sondern auf einen performativ-aktionistischen, nämlich auf die erfolgreiche und illegale Anbringung. Da das Werk nur als Verweis fungiert, macht es das malerische bzw. ästhetische Werk in gewisser Weise obsolet.«6)
»Die Sprayer werden kriminalisiert, aber die Werbung nutzt dies Kreativität, um Produkte für Jugendliche zu vermarkten. Scouts durchforsten die Stadtteile nach Graffiti und platzieren dort ihre Werbeflächen. Die Farbindustrie erfüllt die Wünsche derer, die die Spraydosen illegal einsetzen und sorgen auch für extrem breit sprühende Aufsätze.«7)
»Die […] Faszination für das Autodidaktische, das im stillen Kämmerlein stattfindet, birgt potentiell die Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung des Selbstbewusstseins und des Egos. Eine Gratwanderung der Selbstreflexion.«8)
»Das Gefühl einer Zeit, in der man sich die Freiheit nahm, etwas mit derartigem Eifer ohne Blick auf Konsequenzen zu betreiben, bringt einen um so mehr in eine Verteidigungsposition, wenn das Thema kritisch oder bejahend aufkommt. Es ist ein Teil von einem und man wünscht sich am liebsten keine Bewertung von außen. Zu intim, zu romantisch die Beweggründe.«9)
»So kommt es, dass längst vergessene Sprüher über Nacht wieder aktiv werden, wenn sie gefeuert wurden oder die Freundin Schluss gemacht hat. Graffiti ist ein kalkuliertes Erfolgserlebnis mit der zusätzlichen Option eines Ventils, welches stets leicht zu öffnen ist. Besser man hat nebenbei noch andere Interessen oder daraus entwickelt, die Wurzeln zu anderen Ufern geschlagen haben. Dadurch hätte man seinen ganz eigenen Weg in die Gesellschaft gefunden, weil die Power von Graffiti umgewandelt werden konnte.«10)
»Es wäre schier ungerecht all die Herausforderungen und negativen Symptome, die für mich eher einer Zeit und der darin so oder so stattfindenden persönlichen Entwicklung geschuldet sind, einer (jugend-)kulturellen Erscheinung zuzuschreiben. Nicht zuletzt weil man zu ihr eine emotionale und subjektive Beziehung hatte, sollte sie nicht mit Frust projiziert und so im Keim erstickt werden. Graffiti ist und bleibt eine Reaktion auf die Gesellschaft, es ist abhängig von ihr. Dementsprechend kann das Spektrum auch breit und plump ausfallen. Jede Generation hat ihre Sprüher.«11)
»[…] all der zuvor angedeutete Mist passiert sowieso, denn das gehört zum Heranwachsen/Erwachsenwerden und wohl ebenso zur Evolution des Writings, aber wenn man so um die 30 ist, +- ein paar Jahre, und einfach Scheiße bleibt, dann sehe ich Psychotherapiebedarf. Sollte da nicht ruhiger, besonnener, klarer und durchdachter gehandelt werden, dann hat da wohl der Papa, der Onkel oder vielleicht auch die Mutti mit dem Kleinen Schindluder im Keller getrieben.«12)
»An den Uferhallen erzählte mir T.K., seitdem er nicht mehr malte, wäre er ein besserer Maler geworden. Ich bekam einen Anfall und wir stritten uns. Heute glaube ich immer noch, dass er im Unrecht ist, beneide ihn aber sehr um diese Erkenntnis.«13)

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  • Zuletzt geändert: vor 18 Monaten
  • von amica